Erfahrungsbericht einer AdLK

adventskraenze

Die „Reise“ auf die iberische Halbinsel

„Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“ (Hermann Hesse)

 

In diesem Sinne entschloss ich mich mit viel Motivation in der Mitte meiner beruflichen Laufbahn, die Herausforderung des Auslandsschuldienstes anzunehmen und mich zu bewerben. Ich bekam erfreulicherweise eine ganze Reihe interessanter Angebote. Aber erst das Angebot der Deutschen Schule Valencia ließ mich den Mut fassen, hierfür tatsächlich Familie und Freunde in Deutschland zurückzulassen und diese Stelle anzunehmen. Da ich vor Jahren auch bereits als Ortslehrkraft an der Deutschen Schule Madrid gearbeitet hatte, verfügte ich bereits über einen kleinen Einblick in die Arbeit an einer Deutschen Auslandsschule und Basis-Sprachkenntnisse.

Schon Monate vor dem eigentlichen Umzug hatte ich Kontakt zu einigen Lehrerinnen und Lehrern der Schule, die mir bereitwillig alle Fragen rund um Schule und Leben vor Ort beantworteten. Den entscheidenden Kontakt bei der Wohnungssuche vermittelte mir die Schulsekretärin. So konnte ich eine größtenteils möblierte Wohnung mieten und den Umzug dadurch recht schlank halten. Für mich erwies sich das als goldrichtig, sich beim Umzug nicht mit allzu viel Unnötigem zu belasten, denn fast alles lässt sich vor Ort kaufen.

Es folgte dann der Einführungslehrgang in Bonn, bei dem wir Auslandsdienstlehrkräfte (ADLKs) auf unsere neue Wirkungsstätte vorbereitet wurden und wo ich auch gleich einen meiner neuen Kollegen kennenlernte.

Besondere Schülerinnen und Schüler

Am Einsatzort schließlich war ich sehr überrascht von der außerordentlichen Motivation der Schülerinnen und Schüler. Der Unterricht dauert hier wesentlich länger als in Deutschland. Der Vormittagsunterricht geht bis 14.15 Uhr und ab 15 Uhr beginnt der Nachmittagsunterricht, der dann bis zum Abend gehen kann. Aber auch am Nachmittag, selbst in der 11. und 12. Stunde zeigen sich die meisten Schülerinnen und Schüler sehr motiviert und arbeiten gut im Unterricht mit.

Ich unterrichte die Fächer Deutsch und Erdkunde, wobei das Fach Deutsch natürlich eine Schlüsselrolle spielt an einer Deutschen Auslandsschule. Ohne gute Leistungen in Deutsch wird es für die Schülerinnen und Schüler insgesamt schwierig, dem Unterricht an dieser Schule zu folgen, da ja die meisten Fächer in deutscher Sprache unterrichtet werden. Daher steht Deutsch, anders als beim Unterricht in Deutschland, immer unter besonderem Fokus. Für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, und diese bilden den weitaus größten Anteil der Schülerschaft, gibt es in den unteren Jahrgangsstufen zusätzlich zum regulären Deutschunterricht einen Deutsch-Ergänzungsunterricht, in dem Inhalte des Deutschunterrichts differenziert vertieft werden. Die spezielle Förderung nimmt dabei einen besonderen didaktischen Stellenwert ein.

Sprachlichen Schwierigkeiten wird von vielen Schülerinnen und Schülern durch einen unermüdllichen Arbeitseinsatz begegnet, indem sie sich mit großem Interesse am Unterricht beteiligen und diesen mit interessanten Fragestellungen bereichern.

Die Eltern vieler Schülerinnen und Schüler sprechen nur Spanisch, was bei Elterngesprächen bedacht werden muss.

Das Colegio alemán

Die Deutsche Schule Valencia ist eine Begegnungsschule und hat etwa 800 Schülerinnen und Schüler. Ein Teil dieser Schülerschaft besucht die Schule bereits seit dem Kindergarten. Ansonsten gibt es auch die Möglichkeit zum Quereinstieg ins Gymnasium in der 5. Klasse, wenn man vorher erfolgreich einen Deutsch-Cursillo besucht hat und über gewisse Deutschkenntnisse verfügt. Das Ziel ist es, am Ende der Schullaufbahn ein Deutsches Internationales Abitur abzulegen.

Die Klassenverbände sind in ihrem sprachlichen Ausdruck und Leistungsvermögen heterogen. Zwar stellen die Gymnasiasten den weitaus größten Teil der Schülerschaft, aber dennoch finden sich auch Haupt- oder Realschüler in den Gymnasialklassen, die teilweise binnendifferenzierten Unterricht erhalten.

Außenansicht des neuen Schulgebäudes

Quelle: Deutsche Schule Valencia / Fotofilm 24

Mit Kollegen bei der Einweihungsfeier im Comedor des neuen Gebäudes

Quelle: Deutsche Schule Valencia / Fotofilm 24

Beim Tag der offenen Tür gibt’s natürlich PaellaQuelle: Deutsche Schule Valencia / Fotofilm 24

Im Zentrum von Valencia

Der Miguelete – das Wahrzeichen Valencias. Quelle: Annette Linsenmeier

 

Die Nähe der Einrichtungen Kindergarten und Grundschule sowie des Gymnasiums erlaubt wertvolle Einblicke in die spezifischen Arbeitsweisen, was zudem die Möglichkeit zum regen Austausch eröffnet.

Erwähnenswert ist auch die Teamarbeit im Kollegium. Mehr noch als in Deutschland ist hier Zusammenarbeit gefragt. Der Unterricht wird größtenteils gemeinsam geplant. Besonders im Fach Deutsch ist es sehr wichtig, sich mit den Kolleginnen und Kollegen der Parallelklassen genau abzustimmen, um eine größtmögliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

Während meines Aufenthaltes in Valencia wurde die Schule um ein neues Schulgebäude erweitert, weitere bauliche Maßnahmen sind in Planung. Im Januar 2020 fand die feierliche Einweihung des räumlich großzügigen neuen Schulgebäudes statt.

Der andere „Alltag“

Doch nur wenige Wochen konnten wir das schöne neue Gebäude genießen, dann wurden im März die Schulen in Spanien bedingt durch Corona für nahezu ein halbes Jahr geschlossen. Diese Situation führte einem sehr deutlich vor Augen, dass man sich fern der Heimat befand, wenn auch noch in Europa. Die Landesgrenzen wurden von heute auf morgen geschlossen, Flüge storniert, Autofahrten durch die Polizei kontrolliert und eine Ausgangssperre für mehrere Wochen über das ganze Land verhängt. Wochenlang durfte die Wohnung nur noch zum Einkaufen und in Ausnahmesituationen verlassen werden. Familie und Freunde in Deutschland zu sehen war von einem Moment auf den anderen und über Monate hinweg zu einer schwer realisierbaren Angelegenheit geworden. Die Schülerinnen und Schüler wurden in dieser Zeit per Online-Unterricht und Video-Konferenzen unterrichtet, was an unserer Schule sehr gut klappte, aber dennoch enorme technische Herausforderungen mit sich brachte. Die Videokonferenzen via Teams dienten dabei nicht nur der Wissensvermittlung, sondern auch dazu, sich gegenseitig (Schüler und Lehrer) in diesen schwierigen Zeiten mental zu unterstützen und sinnvolles digitales Lernen zu ermöglichen.

 

Abgesehen von den Einschränkungen, die Corona aktuell auferlegt sind die Lebensbedingungen in der mediterranen Metropole insgesamt sehr inspirierend. Als ADLK sammelt man interessante interkulturelle Unterrichtserfahrungen, die die eigene Persönlichkeit nachhaltig prägen und bereichern.

Annette Linsenmeier

Annette Linsenmeier ist seit September 2018 ADLK an der Deutschen Schule Valencia.

Aus www.auslandsschulwesen.de